Dein innerer Kritiker

Mensch bist du blöd. Das hätte dir auffallen müssen. Daran hättest du denken sollen. Warum check ich es einfach nicht? Warum schaffen es alle anderen (Mütter) nur ich nicht?“

Kennst du diese Gedanken?

Willkommen in der Welt von „Engelchen und Teufelchen“ oder Shakehands mit deinem inneren Kritiker oder deinem inneren Antreiber. „Engelchen und Teufelchen“ benenne ich hier, da sie für die Dualität der Gedanken stehen. Das Engelchen existiert im Gewand der förderlichen, gutmütigen und positiven Gedanken und das Teufelchen als die Gedanken, die das Leben schwer werden lassen. Das Teufelchen ist quasi der innere Kritiker. Besonders interessant wird das Gespräch, wenn beide Parteien in Dialog treten. Ohne eine innere dritte, neutrale, vielleicht sogar weiße Partei kann dieser schon einmal hitzig werden.

Im Folgenden möchte ich dir zwei Sichten auf den inneren Kritiker eröffnen, die in den Grundzügen aufeinander aufbauen.

Der innere Kritiker aus der Sicht des Yoga

Im Raja-Yoga wird Ahimsa traditionell dem Umgang mit anderen Lebewesen zugeschrieben. Ahimsa ist die Gewaltlosigkeit, die sich, zumindest in meinem Verständnis, nicht nur den Mitmenschen zuwendet, sondern auch der übermäßigen Härte, die sich gegen einen selbst richtet. Ahimsa ist Nächstenliebe und Selbstliebe zugleich, auch weil Selbstliebe das Fundament der Nächstenliebe bildet.

Ahimsa, die Gewaltlosigkeit, bewahrt die Yogis unter anderem auch vor Verletzungen, die z. B. durch starkes Vergleichen und daraus resultierendem ‚mithalten wollen‘ entstehen.

Die Bedeutung von Ahimsa

Ahimas ist das erste Yama, welches wiederum der erste Übungspfad des achtgliedrigen Pfads aus dem Yoga Sutra nach Patanjali ist. Das Yoga Sutra ist die traditionelle Schrift, welche einen Weg aufzeigt, um Denkansätze zu enttarnen, das Denken neu auszurichten und einen Verhaltenswandel zu vollziehen. Dabei sind alle acht (unten aufgeführten) Teile gleichwertig, alle dürfen geübt werden und der Übungsweg ist hierbei zyklisch nicht linear. Dies bedeutet, dass bestimmte Punkte, Probleme, Herausforderungen und Situationen immer wieder auftauchen. Nur die betrachtende Person befindet sich in einem anderen Entwicklungsstadium, erlebt die Situation o. ä. demnach anders und darf noch einmal aus einer anderen Warte gesehen werden.

Die acht Glieder zeigen sich in: Yama (Umgang mit anderen), Niyama (Umgang mit sich selbst), Asana (Körperübung), Pranayama (Atemübung), Pratyahara (Rückzug der Sinne), Dharana (Konzentration), Dhyana (Meditation) und Samadi (Einswerdung).

Zu den Yamas gehören neben Ahimsa auch noch Satya- die Wahrhaftigkeit, Asteya- nicht stehlen, Brahmachary- Enthaltsamkeit und Aparigraha- Unbestechlichkeit. Den ersten fünf der 10 Gebote des Yoga, wie die Yamas und Niyamas auch gerne bezeichnet werden, wird eine besondere Bedeutung zugewiesen. Einem Leben ohne die Einhaltung der 10 Gebote wir unsagbares Leid vorhergesagt.

In diesem Artikel soll es rein um Ahimsa gehen. Weitere Blogartikel zu Raja-Yoga und den Bestandteilen von Yama und Niyama werden folgen.

Der innere Kritiker aus Sicht des Coachings

Die Betrachtung des inneren Kritikers hinsichtlich der Gewaltlosigkeit ist ein wunderbarer Einstieg. Meiner Erfahrung nach kann ein bewusster Umgang mit dem inneren Kritiker durchaus besänftigend wirken. Im Coaching ist es möglich noch eine Schicht tiefer zu blicken. Dazu blicken wir zuerst auf die Gedanken.

Was sind Gedanken?

Du bist nicht deine Gedanken, denn du kannst sie beobachten, du kannst sie wahrnehmen (Vgl. Peter Beer). Das ist entscheidend. Es denkt in dir und du hörst deine Stimme, aber du bist nicht deine Gedanken. Es ist möglich, dass du auf deine Gedanken blickst und entscheiden kannst, wie und ob du reagierst. Gedanken sind ein Angebot. Du kannst auf deine Gedanken einsteigen und einen Dialog beginnen, vielleicht zwischen Engelchen und Teufelchen, oder du kannst die Gedanken beobachten und sie weiterziehen lassen. Zugegeben Letzteres bedarf einiger Übung, die sich lohnt, denn die Gedanken können sich dadurch beruhigen.

Eine kleine Verbildlichung für das Ziehen lassen der Gedanken. Ich weiß nicht von wem sie stammt, mir wurde sie vor vielen Jahren in einer Yogaklasse erzählt. Du darfst dir vorstellen, du sitzt am Bahnsteig. Ein Zug fährt ein. Es steigen Menschen aus dem Zug, es steigen Menschen in den Zug ein. Es ist geschäftiges Treiben am Bahnsteig und du beobachtest das Treiben. Mit der Zeit wird es ruhiger am Bahnsteig und der Zug fährt los – ohne dich. Ein bisschen später kommt ein neuer Zug, nicht der Gleiche, und es beginnt von vorne bis am Ende wieder Ruhe einkehrt. Was ist geschehen? Es ist Ruhe eingekehrt. Genauso verhält es sich mit deinen Gedanken. Du kannst ruhig sitzend deine Gedanken beobachten und mit der Zeit wird es ruhiger und die Gedanken werden weniger.

Woher kommt der innere Kritiker?

‚Ich höre diese oder jene Person in meinem Kopf.‘ Ich meine damit, dass sich manche Gedanken, obwohl sie schon so oft gedacht wurden, fremd anfühlen. Durch Prägungen in der Kindheit oder auch später, durch Eltern oder die Gesellschaft hat sich eine Art Regelwerk gebildet, an das es sich zu halten gilt. Wird dem Regelwerk nicht entsprochen, erscheint der innere Kritiker auf dem Parkett. Dieses Regelwerk entspricht nicht zwangsweise den eigenen Werten und Vorstellungen des Lebens. Spannend wird die Entdeckung der eigenen Werte und Lebensziele. Denn diese sind die eigentlichen, die wertvolleren Wegweiser. Die Werte oder Gefühle, die beschreiben, wie sich das Leben oder eine bestimmte Situation anfühlen darf, hat die Kraft alte Gedanken, alte Glaubenssätze und die Stimmen Dritter zu überprüfen und neue Gedanken, die den eigenen Werten entsprechen, einzubringen.

Selbstkritik vs. innerer Kritiker

Wie immer gibt es zwei Seiten. Nicht ausnahmslos ist der innere Kritiker schlecht. Er bringt durchaus auch Gutes mit sich. Hierzu ist zwischen dem inneren Kritiker, der bisher beschrieben wurde und der gesunden Selbstkritik zu unterscheiden. Selbstkritik ist ein Feedback, das aus dir stammt und sich an deinen Werten und Vorstellungen orientiert. Selbstkritik ist neutraler, vielleicht sogar positiver als der innere Kritiker, welcher bei Scheitern seiner unrealistischen Ansprüche im Wort und Tonfall herablassend wird und oft Gefühle wie Schuld und Scham im Gepäck hat. Der innere Kritiker schadet deinem Vorankommen. Selbstkritik stärkt dich und dient dir und deiner Entwicklung.

Einladung zum Gedankenexperiment

Aus der Chaostheorie ist bekannt, dass ein Flügelschlag eines Schmetterlings am anderen Ende der Welt einen Sturm auslösen kann. Könnten wir dann auch davon ausgehen, dass alles im Kleinen beginnt? Daher lade ich dich zu einem Gedankenexperiment ein: Stell dir vor, alle Menschen würden Ahimsa, im Sinne von Nächstenliebe und Selbstliebe, in ihrem Herzen tragen. Wie würde sich dir die Welt zeigen?

Spontan erscheinen mir Bilder von mobbingfreien Schulen, Freundlichkeit in den Gesichtern der Menschen und einem Gefühl von Sicherheit, auch wenn es abends dunkel wird. Um hier nur ein paar kleine Beispiele aufzuzeigen.

Wie kannst du den inneren Kritiker enttarnen?

Der Kritiker ist ein kleiner Schlawiner. Er ist oft gut getarnt und weil er mit deiner eigenen Stimme spricht, manches Mal auch nicht so leicht aufzuspüren.

Der Alltag ist voller Ereignisse, Handlungen, oft sind die Listen ewig lange. Demnach ist auch die Geschwindigkeit im Alltag hoch. Eine Möglichkeit den inneren Kritiker zu erkennen ist ein Moment der Stille oder des Bewusstwerdens. Auf deiner Matte, die dein Leben in 1,80 x 0,60 cm spiegelt, reicht schon ein tiefer Atemzug und die Beobachtung deiner Gedanken. Hier hast du Zeit und kannst einmal genau lauschen, was die Stimme in deinem Kopf zu dir sagt. Auf der Arbeit oder im Familienleben hilft es ebenfalls innezuhalten, zu atmen und zu lauschen. Auch das Journaling, das Reflektieren von Situationen oder dem Tag, ist ein wundervolles Tool.

Erwischt und nun?

Bloß nicht selbst zermartern, zerfleischen oder dich in der Luft zerreißen. Der innere Kritiker oder das Teufelchen wohnt in den allermeisten Menschen, auch wenn es von außen meist nicht ersichtlich ist.

Was mir in den kritischen Momenten gut tut? Kritisch, weil es schon unangenehm ist, wenn man sich beim über sich selbst meckern und antreiben erwischt. Die Kunst besteht in der Unterbrechung oder der Besänftigung des Gedankenkarussells. Ich persönlich hole mir z. B.  Rat bei dem klugen, erfahrenen und gutmütigen Anteil in mir. Meine alte, grauhaarige Weiße. Ich frage sie, was sie tun oder mir raten würde. Alternativ kannst du die Liebe fragen: Was würde die Liebe, als Pendant zur Angst, tun?

Ein anderer Ansatz könnte eine Art Mantra sein, welches du dir für diese Fälle bereitgelegt hast. Ein Mantra ist ein Wort oder ein Satz, den du immer wieder wiederholst, bis du dich bereit fühlst, etwas neutraler auf die Dinge zu blicken.

Bist du im Journaling Zuhause? So könntest du die Situation auf Papier bringen. Benennen, was dich beschäftigt und welchen Ausgang du dir gewünscht hättest. Dann stelle intelligente, forschende Fragen, als ob du eine andere Person befragen würdest. Damit lenkst du das Licht und erhellst blinde Flecken und ermöglichst eine andere Sicht auf die Dinge. Entdecke, welche Bilder sich zeigen und welche Wege sich für dich eröffnen.

Mein Angebot an dich:

Wünschst du dir Unterstützung? Eine „alte, gutmütige Weiße“ an deiner Seite?

Unter der Rubrik Coaching findest du mein Angebot für dich. Melde dich gerne bei mir.

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