Ich war schon länger auf der Suche nach einem Schweigeretreat, nach einer Zeit der Stille nur für mich. Einem Retreat, das zu mir passen sollte und nicht so viel Feedbackrunden und gemeinsames Reflektieren innehatte. Auch wollte ich keine zu ausführlichen Erläuterungen, um meinen Geist nicht fortwährend auf dem Parkett zu haben.
Ebenso stand schon Jahre ein Aufenthalt in einem Kloster auf meiner Tagesordnung. Erst war ein Meditationsretreat mit Dirk Grosser in einem Kloster geplant. Jedoch kam das große C. dazwischen. In 2023 war ich für die Ausbildung zum Waldachtsamkeitstrainer im grünen Kloster Plankstetten zu Gast. Allerdings war mir hier unsere Integration ins Klosterleben noch zu wenig, da der Wald und dessen Wirkung im Vordergrund standen.
Und da war er dann. Ein Flyer, der meinen Weg kreuzte. Kloster Volkenroda. Einmal die Homepage des Klosters aufgerufen und es stand fest. Das ist das Kloster, in dem ich Zeit verbringen möchte und das auch noch schweigend. Warum genau dieses Kloster? Die Homepage hatte einen modernen Touch, zeitgemäß. Das hat mich angesprochen.
Hier gleich eine Anmerkung: Es handelt sich nicht um WERBUNG, es kommt von Herzen.
Gute Gründe um zu schweigen
Die Gründe schweigen zu wollen sind bekanntlich vielfältig. So auch in meiner Gruppe. In einer sehr warmherzigen Begrüßungsrunde, die weder Alter, Herkunft noch Beruf beinhaltete, durften wir der Gruppe mitteilen, was uns nach Volkenroda zu den Schweigetagen geführt hat. Allen voran: Die Welt ist zu laut und zu schnell, zu viele Veränderungen, dicht gefolgt von dem Bedürfnis nach Zeit für Selbstfürsorge und Entscheidungsfindung. Mein Grund war der Erste. Es war viel los, viele Entscheidungen, viele Termine. Ich wünschte mir eine Auszeit, in der ich mich um nichts kümmern brauchte – auch nicht um die Wahl meiner Worte oder ob ich mich überhaupt äußern möchte.
Stille in der Gruppe oder alleine zuhause?
Ok, die Gruppe hatte ich erst nicht so auf dem Plan. Dahingehend aber, dass ich ein Angebot nutzen wollten, das fern der Heimat war. Ohne Gruppenanbindung auswärts zu schweigen, z. B. in einem Ashram o. ä., wäre für mich ebenfalls eine Option gewesen. Die Vorstellung zuhause zu schweigen, kam erst gar nicht auf, sie kam mir schier unmöglich vor. Im Familienverbund, den ich sehr genieße – bitte richtig verstehen – ist immer etwas zu besprechen, Situationen zu managen oder zu begleiten, Dinge zu erledigen, in denen allesamt die Sprache das Medium der Wahl ist. Es wären weit mehr Vorbereitungen nötig gewesen und trotzdem wäre es fraglich gewesen, ob eine Abgrenzung vom Alltag in dem Ausmaß möglich gewesen wäre.
Die Pro-Liste für nicht zuhause schweigen:
- Abstand zum Alltag
- Selbstfürsorge
- Abstand zum Familiensystem
- Geringerer Aufwand im Vorfeld
- Neue Eindrücke, die zu neuen Inspirationen führen
Die Gruppe, die ich mir gedanklich als ‚nice to have‘ zurechtgelegt hatte, war wunderbar. Schon am ersten Abend entstand fast ohne Worte ein Zusammenhalt, der uns die 4 Tage durch das Seminar getragen hat. Es wurde aufeinander geachtet, es wurde sich gegenseitig unterstützt und alle Gesichter waren stehts lächelnd freundlich. Im Reinen gesprochen: Keiner wusste, wer oder was die Person außerhalb des Klosters ist, welchen Beruf, Familienstand oder ähnliches. Wir haben uns ohne Worte in unserem reinen SEIN gewertschätzt. Die Begegnung auf der Ebene des SEINS, fern jeder Möglichkeit der Kategorisierung, war wundervoll und das spricht absolut für Gruppe.
Natürlich hält die Gruppe auch den Rahmen. Denn das Schweigen kann auch Tore öffnen, von denen wir nicht wussten, dass sie existieren bzw. nicht wussten, dass sie dieses Ausmaß annehmen können. Und die Gruppe merkt, wenn ein Gruppenmitglied ausbricht, wenn sich die Schwingungen ins Negative oder Bedenkliche kehren. So ist die Gruppe auch ein Hüter für jede Seele im Raum.
Mein Weg zum Kloster Volkenroda
Der Weg, mein Weg, nach Vokenroda war durch die Suche nach einem inspirierenden und modernen Ort und einem Seminar/Workshop/Kurs begleitet, dessen Inhalt mir nicht in der Gänze schon irgendwie bekannt war. Bei der Suche wurde mir bewusst, dass es, auch wegen der oft engen Planung der Kursinhalte, kein Ashram werden sollte. Ich wünsche mir auch Freiraum während der Zeit.
Ich habe mir verschiedenste Institutionen und auch unterschiedliche Kursmodelle angesehen. Der zufällig entdeckte Flyer, wie ich eingangs schon berichtete, brachte mich auf die Homepage vom Kloster Volkenroda. Mit ihrem modernen Auftritt und dem entsprechenden Sprachgebrauch überzeugte diese. Erst im Nachgang fand ich im Seminarprogramm die Schweigetage. Die knappe Beschreibung war eingehend und vielversprechend. Und schon waren die Schweigetage in Volkenroda gebucht.
Die erste Klosterrunde
Angekommen und eingecheckt begab ich mich auf Erkundungstour. Den Plan des Klosters im Zimmer belassen, ließ ich mich treiben. Verschiedene, relativ jung sanierte Gebäude mit modernen und gemütlichen Zimmern und Seminarräumen, einem Speisesaal und einem kleinen, sehr liebevoll eingerichteten und charmant geführten Café befinden sich um einen Innenhof, welcher einen großzügigen Spielplatz beheimatet und Raum für weitere Aktivitäten im Freien bietet.
Die Kirche an sich hat ein völlig anderes Erscheinungsbild, als das Erscheinungsbild, welches uns normalerweise bekannt ist. Es fehlt das komplette Schiff, welches nicht wieder aufgebaut wurde. Das Kirchenschiff wird heute durch eine Ahornallee angedeutet. Weiter wird heute der Christus-Pavillon, der seinen Ursprung auf der Expo hat, zu Gottesdiensten und musikalischen Konzerten genutzt. Der Altar in der eigentlichen Kirche bildet der gekreuzigte Jesus ohne Kopf und daneben eine gerahmte Abbildung von Jesus Kopf. Den Kopf verlor die Jesus-Statue in der Zeit, als die Kirche zerstört und als Lagerfläche verwendet wurde; die ganze Geschichte ist so schön, dass du sie dir unbedingt bei einer Klosterführung einmal anhören darfst. Die Geschichte zollt von Respekt und dem Überdauern der Zeit und dass sich manche Dinge ihren Platz selbst aussuchen. Kleiner Spoiler: Die Jesus-Statue hatte seinen Platz ursprünglich nicht am Altar.
Das Kloster Volkenroda hat auch einen Lehrbauernhof, auf dem einmal im Monat ein Markt stattfindet und den Schulklassen oder Kindergärten besuchen können. Die Hühner waren für viele Besucher und auch für mich eine besondere Attraktion bzw. ein Beobachtungsobjekt für meine stille Zeit. Sie waren derzeit mit ihren mobilen Ställen direkt auf den Grünflächen im Innenhof untergebracht.
Das Freigelände des Klosters ist zum Verweilen gestaltet. Überall sind Sitzmöglichkeiten und auch ein Meditationsweg, auf dem ich mich gerne befand. Dieser lädt zur Besinnung ein. Der Meditationsweg ist ein Rundweg, der auch ein verwunschenes Gärtchen beinhaltet, in dem es möglich ist, Zeit an einen Bachlauf zu verbringen und einfach nur dem Plätschern des Wassers zu lauschen.
Besonders im Kloster Volkenroda sind die Angebote auch auf Familien und Kinder ausgerichtet. So gibt es neben dem Spielplatz auch eigene Seminar- und Urlaubsangebote für Paten-Patenkinder und Wochen für Kinder, die im Wald stattfinden. Auf dem Klostergelände hört man so stets Kinderlachen und fröhliches Miteinander.
Die Christusbruderschaft, mit zwei Schwestern und zwei Brüdern, hat hier einen ganz besonderen Ort für jedes Alter, für Alleinreisende und für Familien geschaffen, der einlädt zu sein, zu verweilen und mit dem Glauben in Berührung zu kommen. Nebenbei sind die Schwestern und Brüder sehr nahbar und auch immer einer Unterhaltung zugeneigt.
Mein persönlicher Rückblick auf die Schweigetage
Schwester Miriam, die Kursleiterin der Schweigetage, hat ein luftiges Programm gestaltet, welches das Klosterleben, wie die Gebetszeiten, als Grundpfeiler beinhaltete. Das Programm war umfassend und sanft zugleich, gefüllt mit verschiedenen Übungen und Themen, die uns Teilnehmerinnen die Stille bzw. die Meditation näherbrachten. Die gemeinsamen Zeiten in der Gruppe, in der wir viel Zeit, welche im Verlauf ausdehnte, in der Stille verbrachten, wurde ergänzt durch Zeit, in der wir die stille Zeit für uns nutzen konnten. Für den perfekten, nach den körperlichen Anforderungen angepassten Meditationssitz, hat Schwester Miriam mittels verschiedener Hilfsmittel gesorgt. Sie hatte Sitzbänkchen, Matten, Decken, Stühle und Erhöhungen in verschiedenen Höhen dabei. Wir wurden umfassend umsorgt.
Die Zeit außerhalb unseres Kursraumes war für mich persönlich sehr wertvoll. Einerseits haben wir auch während des Essens in einem Speisesaal mit anderen nicht schweigenden Gruppen geschwiegen. Hier empfand ich die Symbolisierung gegenüber anderen nicht schweigenden Gruppen nicht unbedingt als herausfordernd, oft jedoch mit Humor gespickt. Für mich persönlich war es aber auch eine Erleichterung bei den Mahlzeiten in einer Seminargruppe mich mal nicht angehalten zu fühlen etwas sagen zu müssen. Kennst du das vielleicht auch? Das Gefühl nicht still am Essenstisch sitzen zu dürfen, weil andere es ja als unhöflich empfinden könnten? Andererseits nutzte ich die freie Stillezeit super gerne nur für mich auf dem Meditationsweg mit dem verwunschenen Gärtchen oder im nahegelegenen Wald.
Meine Erfahrungen mit der Stille
Ich habe Stille und Ruhe gesucht und ich habe sie gefunden und sehr genossen. Drei Tage in Stille zu verbringen war wunderbar und ich hätte sie gerne noch ausgedehnt. So war das Brechen des Schweigens für mich noch viel zu früh und hat mich glatt etwas überfordert. Die Kommunikation ohne Worte, während der Zeit, in der wir geschwiegen haben, habe ich als wertschätzender empfunden, als die Zeit in der kurzen Zeit, in der wir wieder Worte verwendet haben. Die fehlenden Ansätze kategorisieren und bewerten zu können, ermöglicht einen Umgang miteinander, der sich auf die grundlegende Verbindung der Menschen untereinander stützt – eine absolute Wohltat.
Die Zeit im Kloster ohne Gespräche, ohne Austausch mit anderen Personen hat mich selbst wieder anders wahrnehmen lassen. Ich hatte das Gefühl wieder näher bei mir zu sein. Und ganz nebenbei hatte ich in der Stille viele kreative Impulse und Ideen für Neues.
Ist die Stille auch etwas für dich?
Ja, unbedingt. Die Stille macht unheimlich viel. Sie bringt einen näher zu sich, beruhigt das Nervensystem, kultiviert Ruhe im Geist, lässt wohlüberlegte Entscheidungen treffen, neue Impulse zu verschiedensten Themen finden und vieles mehr. Ich würde dir, gerade für den Anfang, geführte Schweigetage oder ein geführtes Meditationsseminar in der Gruppe empfehlen. Die Gruppe nimmt dich mit, hält einen sicheren Raum und du hast stets eine Ansprechperson.
Kannst du dir vorstellen, ein paar Tage ohne ein einziges, gesprochenes Wort zu verbringen? Schreibe es mir gerne in die Kommentare.
(Solltest du dich derzeit in psychologischer Behandlung befinden, bitte kläre die Schweigezeit mit deinem Therapeuten ab.)